Marc Grellert

(Technische Universität Darmstadt, Deutschland)

Digitale Technologien haben bei der Vermittlung von kulturellem Erbe neue Möglichkeiten eröffnet, die mit traditionellen Mitteln bis lang nicht zu erzielen waren. In der Architektur hat die grafische Datenverarbeitung bei der Rekonstruktion zerstörter Bauwerke eine enorme Anschaulichkeit erreicht, besonders bei der Darstellung von Innenräumen. Mit dem Internet hat sich ein gänzlich neues Medium entwickelt, dass ein früher notwendiges Aufsuchen realer Orte in Frage stellt. Neue Formen der Kommunikation sind entstanden, die einen interaktiven Austausch in Echtzeit ermöglichen und traditionelle Medien mit ihrer einseitigen Kommunikation von Sender zu Empfänger als überholt erscheinen lassen.
In einer mehrjährigen Forschungsarbeit an der TU Darmstadt wurde der Frage nachgegangen, wo genau die Potentiale dieser Technologien für die Erinnerung an zerstörte Bauwerke liegen, welche Grenzen und Randbedingungen, welche Vorteile und Nachteile gegenüber traditionellen Formen bestehen. Besondere Beachtung wurde dem Museum als Vermittlungsort geschenkt. Am Beispiel der zerstörten Synagogen Deutschlands wurden diese Fragestellungen vertieft. Ausgehend von den gewonnenen Erkenntnissen wurden Konzepte entwickelt, die Anregungen für die Vermittlung zerstörter Architektur durch digitale Technologie geben sollen.
Das Beispiel der Synagogen zeigte, dass 3D Computer-Rekonstruktionen eine Öffentlichkeit erzielen konnten, wie es traditionellen Architektur-Rekonstruktionen bis dato nicht gelungen ist. Die Faszinationskraft und die Potentiale der 3D Computer-Rekonstruktionen werden am authentischen Ort aber bis heute nicht zur Geltung gebracht. Auch die Möglichkeiten des Internets werden nicht ausgeschöpft, da die Betreiber überwiegend Informationen vermitteln, während die Potentiale für eine andere, partizipative Form der Erinnerungskultur weitgehend ungenutzt bleiben.
Aus diesen Erkenntnissen wurden u.a. Konzepte für die Präsentation von 3D Computer-Rekonstruktionen am authentischen Ort und ein Synagogen-Internet-Archiv (www.synagogen.info) entwickelt. Das Synagogen-Internet-Archiv hat gezeigt, dass partizipative Formen der Erinnerungskultur im Medium Internet – in diesem Fall eine Online-Mitarbeit – zu verwirklichen sind, ohne den Anspruch auf Seriosität und Qualität der Beiträge aufzugeben.